Tag 1222-1231 | Rio Grande, Lago Fagnano, Ushuaia, Rio Pipo, Tierra del Fuego, Argentinien
In Rio Grande stoppten wir nach einem langen Fahrtag für den Supermarkt und die Tankstelle und schliefen dann auch gleich dort. Am nächsten Morgen ging es dann bis zum Lago Fagnano. Dort machten wir Mittagspause und gingen eine Runde mit Chico spazieren. Rau, windig und schön begrüßte uns Feuerland.
Und dann gings an die letzten Kilometer bis nach Ushuaia. Noch 50, noch 25, noch 10 und dann war der Ortseingang in Sicht. Unsere Köpfe waren durcheinander, im Bauch kribbelte es und auf unseren Gesichtern fand sich definitiv ein Lächeln, als wir an den großen Türmen mit Schriftzug hielten. Ushuaia! Wir hatten es geschafft!
Und das ist unsere wenig emotionale und doch sehr emotionale Statistik:
- 1339 Tage auf (und neben) der Panamericana
- 81.348 gefahrene Kilometer
- 16 Länder und 20 Grenzübertritte
- Temperaturen von -16 Grad (Icefields, Kanada) bis +43 Grad (Baja, Mexiko)
- Höhenmeter von -86 m (Death Valley, USA) bis +5.100 m (Chimboarzo, Ecuador) (An der Laguna del Carbón, Argentinien haben wir nur am Aussichtspunkt gehalten: -105 m unter Null)
- Diesel pro Liter von 0,44 Euro (Ecuador, Kolumbien) bis 1,45 Euro (Belize, Chile)
- 103 Nächte in Hotels, Hostel und Zelt (den Rest in Bruno)
- 8 Flüge (über London nach Kanada, nach New York, 2 mal nach Hause und zurück und über den Darien Gap)
- 13.015 L Diesel
- 73 L Motoröl (inkl. 8 Motorölwechsel)
- 17 Werkstattbesuche (mit insgesamt 19 Nächten in diesen)
- unzählige Stunden Wartung und Reparaturen an Bruno
- 2 mal mussten wir abgeschleppt werden (Kanada und Chile)
- 1 neuer Satz Reifen, einmal einen Platten in Mexiko
- 1 neues Allradgetriebe
- 7 neue Keilriemen
- 1 neue Steuerkette
- 0 Knöllchen und Tickets
- 0 nennenswerte Unfälle, allerdings 1 mal vom Bus gestreift und oftmals nur knapp davon gekommen
- 1 bezahltes Schmiergeld (und einige weitere Versuche)
- unzählige (meist unbemerkte) Male über den Tisch gezogen worden und in Touristenfallen getappt
- ungezählte Male Autos/Camper aus Schlamm und Sand rausgezogen (die Mexikaner sind aber definitiv die Spitzenreiter)
- 1 mal selbst festgefahren
- 1 globale Pandemie
- 2 mal Heimatbesuch
- 4 gefüllte handschriftliche Tagebücher
- 1 Mitgliedschaft im Sourtoe Cocktail Club (Hanno in Dawson City, Kanada)
- 1 mal beklaut worden (uralte Flipflops von Hanno)
- 1 neuer Katzen-Co-Pilot
- 4 gefangene Fische (und meterweise verlorene Leine und unzählige Gewichte und Schwimmer)
- über 600 GB Fotos und Videos
- ein paar mehr graue Haare, Sommersprossen, Falten, Schrammen und Narben
- unzählige Arschbomben in die Gewässer Nord- und Südamerikas
- 4 Arztbesuche, 0 mal Krankenhaus (da bin ich ganz schön stolz drauf!)
- 2 Advanced Open Water Tauchscheine
- 147 Blogeinträge
- unzählige unglaublich tolle Erfahrungen, Begegnungen und Gänsehautmomente
- eine gute Hand voll neuer Menschen in unserem Leben, die hoffentlich trotz Distanz ganz nah bleiben
- mehr Wertschätzung für die Heimat, für die kleinen Dinge, für Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft
Was ich auf dem ganzen Trip am wenigsten hätte missen wollen, ist wohl der Mann an meiner Seite, auch wenn 24/7 auf 4 qm Lebensraum nicht immer einfach sind. Die Tollsten aller Momente wären nur halb so schön gewesen und die Schlimmsten aller Momente doppelt so mies. In diesem Sinne: Chapeau Schnuck, danke!
An Stelle zwei der Dinge, ohne die es nicht ansatzweise so schön gewesen wäre, steht dann wohl jetzt Chico. Reisen mit Tier ist kein Zuckerschlecken und wir fluchen oft wegen Verboten, Mehrkosten oder wegen unendlicher Prozesse zu den benötigten Papieren und den Grenzformalitäten. Dazu kommt, dass Chico eine ganz schöne Nervensäge sein kann und Talent dazu hat, dann am Rad zu drehen, wenn wirs überhaupt nicht gebrauchen können.
Auf Platz drei steht dann selbstverständlich Bruno. Er ist und bleibt das perfekte Gefährt für diese Reise und für uns. Die Liebe zum blauen Monster ist noch gewachsen. Es ist aber auch mehr Arbeit als wir uns jemals ausgemalt haben. Bei manchem Breakdown hätte ich mir gewünscht, dass ich einfach auf den Backpack umsteigen und den nächsten Flieger raus aus der Sch… nehmen könnte. Auch nach 4 Jahren macht mich der Blick auf die To-Do-Liste „Bruno Reparaturen“ nervös. Sie ist so gut wie nie leer. Brunos Problemchen belasten und die Reperaturen füllen schonmal ganze Tage und Wochen. Trotzdem mag ich ihn nicht missen und eins ist gewiss: Bruno ist zwar nicht Heimat, aber Bruno ist Zuhause. Zumindest auf diesem Lebensabschnitt.
Ein ausführliches Fazit zu allen Ländern und dieser Reise gibts dann ,wenn wir wirklich „fertig“ sind. Was jetzt noch kommt ist auf jeden Fall nicht mehr Pflicht sondern Kür.
Die nächsten Tage verbrachten wir dann in Ushuaia in der süßen Innenstadt. Wir gingen Bummeln, probierten ein paar Köstlichkeiten und genossen das Gefühl, endlich angekommen zu sein. Ushuaia ist eine Mischung aus Bergdorf und kleiner Hansestadt. Richtung Norden schaut man auf schneebedeckte Berge und Wälder, Richtung Süden hat man Meer und den Hafen mit Fischkuttern und Kreuzfahrtschiffen vor Augen.
Nachdem wir genug von der Stadt gesehen hatten, ging es dann noch für ein paar Tage raus an den Rio Pipo. Das Wetter hier unten ist verrückt. Innerhalb von Stunden wechselt es von windstill zu Sturm, von Schneeregen zu Sonnenschein und blauem Himmel. So gab es Momente, wo wir im Pulli in den Campingstühlen draußen in der Sonne saßen und eine Stunde später waren wir eingekuschelt in der Decke und Brunos Standheizung ballerte. Langweilig wurde es also nicht.
Bruno fand die Kälte überhaupt nicht toll und wir mussten sogar einen Tag warten bis die Sonne die Motorhaube wärmte um den Motor ans Laufen zu kriegen. Morgens, bei knapp über 0 Grad, machten die Starterbatterien schlapp und wir kamen nicht weg bis sie von der Solaranlage nachgeladen waren. Zum Glück halb so wild, da wir eh nicht viel vor hatten, aber natürlich kein Zustand auf Dauer.
Einen morgen ging es dann auch noch bis in den Tierra del Fuego Nationalpark. Der war schön, aber unserer Meinung nach kann man das ganze auch umsonst am Beagle Channel haben. Am witzigsten fanden wir eigentlich das Schild am Ende der Straße, wo die Entfernung nach Alaska (das andere Ende der Panamericana) ausgewiesen ist: 17.848 km. Da sind wir wohl auf unserem Weg ein paarmal falsch abgebogen. Wir waren vor 8 Uhr im Park und ohne Besucheransturm waren die Vögel und Wildtiere noch sehr entspannt, nur die Bieber bekamen wir nicht zu Gesicht, konnten aber den ziemlich großen Schaden im Wald begutachten (Bieber sind eingeschleppte Tiere in Südamerika).
Bevor es dann wieder raus aus dem Park ging musste ich noch zur Post. Die Poststelle ist die südlichste der Welt. Wir ließen im Austausch noch einen Bruno Sticker da. Da kamen dann auch die ersten Reisebusse an und es war schleunigst Zeit wieder Richtung Rio Pipo zu fahren.
Tja und was nun? Fast 4 Jahre lang hatten wir auf die Frage „Wo gehts hin?“ eine einfache Antwort: „Südwärts!“ Ushuaia war aber nun wirklich das Ende der Straße und der südlichste Ort der Welt. Man möge meinen, wir müssten uns jetzt ein neues Ziel setzen… Nach langer Recherche, vielen Überlegungen und sehr vielen Gesprächen mit diversen Agenturen, können wir aber noch zwei Wochen länger „Südwärts!“ auf die meistgestellte Frage antworten.
Wir können es selbst noch nicht ganz fassen, aber wir haben tatsächlich eine Exkursion in die ANTARKTIS gebucht!
Was bedeutet das? Für uns erstmal: Geld locker machen. Wer sich etwas auskennt weiß, dass die Exkursionen schmerzhaft teuer sind. Wir haben mit sehr viel Glück und „zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein“ einen Last-minute-Deal mit 75% Rabatt auf den Originalpreis ergattert. Günstig war es trotzdem nicht, aber so konnten wir uns immerhin den Traum vom letzten Kontinent erfüllen.
Nachdem gebucht war, hieß es dann einen Katzensitter organisieren, Bruno abstellen und die restlichen Dinge besorgen, die wir auf der Exkursion brauchen würden. Vor allen Dingen Reisetabletten. Die Drake Passage gilt als eine der berüchtigsten Meere der Welt. Toll, wir sind immer die ersten die seekrank werden.
Wir waren mit Packen und Orgnisieren ganz gut in der Zeit und wollten Chico dann den letzten Tag vor Abreise noch am Rio Pipo gönnen. Joa, und dann hätte er es uns fast versaut. Er ist ernsthaft weggelaufen! Im Schnee und Sturm haben wir die Katze den ganzen Tag bis Nachts gesucht. Wir sind mit Bruno rumgefahren, wir haben uns die Seele aus dem Leib gebrüllt, es sind einige Tränen geflossen und wir waren uns sicher, dass er als blinder Passagier in ein Auto gestiegen ist und nun irgendwo in Ushuaia rumläuft. Der Trip in die Antarktis schien geplatzt zu sein. Wir informierten per Telefon die lokalen Tierärzte, ich schrieb Vermisstenanzeigen in Social Media. Ein richtiger Albtraum!
Und dann kam Chico mitten in der Nacht, als wir wieder zu einer Suchrunde im Schneesturm aufbrachen, fröhlich und warm aus dem nahen Golfclub spaziert. Natürlich hatten wir dort auch gesucht und mittlerweile wusste jeder auf dem Gelände, dass wir unsere Katze vermissen. Der kleine Teufel hat uns garantiert gehört. Vermutlich hat ihm nicht gepasst, dass wir seine Klamotten in Bruno morgens zusammengepackt hatten. Ich war überwiegend erleichtert, Hanno war überwiegend angepisst und die Antarktis konnte glücklicherweise doch noch kommen.
Nach der eher schlaflosen Nacht mit aufgewühlten Gefühlen parkten wir dann Bruno bei der Katzensitterin vor der Tür und brachten ihr den Schlüssel. Chico und sie hatten sich schon vor ein paar Tagen kennengelernt und wir hatten zum Glück ein gutes Gefühl. Dann packten wir noch unsere Klamotten zu Ende, Chico wurde nochmal ausgiebig gekuschelt und nachmittags gings mit geschulterten Rucksäcken Richtung Hafen. Chico und Bruno müssten die nächsten zwei Wochen ohne uns klar kommen. Das Auto ungesichert einfach in einer Nachbarschaft stehen zu lassen war ungewohnt, aber Ushuaia ist sehr sicher. Außerdem würde die Katzensitterin regelmäßig am Auto sein und wir versuchten uns wenig Gedanken darum zu machen.
Nachdem die ersten Sorgen um Kater und Auto verflogen waren, freuten wir uns aber einfach nur noch unendlich auf den 7ten Kontinent und wohl eins der größten Abenteuer unseres Lebens.