Tag 246-262 | La Paz, Todos Santos, Baja California Sur, Mexico
Nach gut 350 km kamen wir gegen Mittag in La Paz an. Es war Veilchendienstag und wir freuten uns darauf den letzten Karnevalszug der diesjährigen Session zu schauen.
Da Bruno nach Strom bat, quartierten wir uns die nächsten drei Nächte im Innenhof des Peace Hostels in der Innenstadt ein. Dort bekam Bruno eine Steckdose und wir warme Dusche, Frühstück und WiFi.
Wir bummelten durch die Stadt und zu diversen Marina-Shops, Solaranlagenverkäufern und in diverse Angelläden. Wetsuits bekamen wir nicht, eine Harpune für Hanno (er steigt nach ausbleibendem Erfolg mit der Angel jetzt mal um) ebenfalls nicht. Die Preise waren einfach utopisch. 170 US$ für nen Wetsuit, die spinnen doch.
Mit dem ersten Abgebot für ein neues Solarpanel in der Tasche ging es dann wieder an die Uferpromenade, den Malecón, wo die Stimmung schon ziemlich gut war.
Karneval hier ist anders als zu Hause. Mehr eine Mischung aus Kirmes und Rio-Karneval. Wir schlenderten an vielen, vielen Fressbuden vorbei, an Schießständen, Pferderennen, Entchen-Angeln, Marktschreiern, Los-Buden und diversen mobilen Cocktailbars.
Nach gut 2 km in eine Richtung mit und gegen eine enorme Menschenmasse war es Zeit für richtige, echte, mexikanische Churros. Mann, waren die lecker. Die Pizzaecke danach war dagegen eine echte Enttäuschung.
Immer mehr Leute positionierten sich im Laufe des Nachmittags dann auf den Bordsteinen, Erhöhungen und Parkbänken an der für Autos gesperrten Straße und es dämmerte uns, dass die Parade bald los gehen würde. Auch wir suchten uns einen Platz und warteten mit vielen hunderten Menschen.
Dann gings los: erst Polizei, die die Leute noch ein bisschen von der Straße drückte, und dann die ersten Wagen und Fußgruppen. Die Leute tanzen und feiern und die Kostüme und Wagen sind so viel bunter als in Deutschland. Die meisten Leute stehen frei ohne Brüstung auf den Wagen und können sich an einem kleinen Geländer festhalten. Das keiner vom Wagen gefallen oder irgendwer unter die Wagen geraten ist, war erstaunlich. Papa, der seit Jahren Zugbegleitung in Roetgen macht, hätte die Krise bekommen bei den Konstruktionen.
Schön fanden wir, dass die Paraden (täglich eine von Samstag bis Dienstag) immer von verschiedenen Organisationen organisiert werden. Veilchendienstag waren die Schwulen und Lesben von La Paz dran (ganz schön fortschrittlich hier, ob es das in Deutschland an einem christlichen Feiertag gegeben hätte?) und auf jedem Wagen war jemand vom Organisationsteam vertreten. Auch hier gibt es den König und die Königin und dann das Kinderprinzenpaar und außerdem noch ein Oma und Opa Königspaar und ein behindertes Kinderprinzenpaar mit einem wunderschönen Wagen. Auch Blasmusik und ein Orchester waren vertreten. Die Fußgruppen konnten alle ganz toll tanzen und hatten alle ihre eigene Performance. Die Musik die von den Boxen schallte erinnerte stark an deutsche Schlager-/Karnevalsmusik. Echt gut! Es wird zu unserem Erstaunen viel weniger getrunken als bei uns. Ich glaube, uns ist kein einziger Betrunkener begegnet. So viel entspannter!
Es gibt übrigens fast keine Süßigkeiten. Ganz, ganz wenig wird geschmissen und die Leute bücken sich ruckzuck für die drei Bonbons die fliegen. Wir stellten uns vor, was die Mexikaner wohl zu einem Zug bei uns sagen würden. Es würde uns nicht wundern, wenn sie die deutschen Karnevalszüge als maßlos (Massen an Süßem), einfallslos (kosümtechnisch und wagentechnisch), undankbar (für Noname-Süßigkeiten bücken wir uns nicht mal) und alkoholabhängig bezeichnen würden.
Nach nem echt richtig guten Abend auf dem Malecón ging es dann zur Solaranlangensuche zurück ins Hostel. Wir hatten den Tipp bekommen mal in einer Facebookgruppe nach Tipps zu fragen. So landete ich in der „La Paz Gringo“-Gruppe und erhielt im Laufe der nächsten zwei Tage eine Flut von Nachrichten. Über 100! Total verrückt. Tag 2 und 3 hingen wir ständig am Internet und wir fingen an eine Excel-Liste zu füllen, damit wir der Informationsflut überhaupt noch Herr werden konnten. Wir trafen uns mit einem Snowbird (Ami der im Winter ins warme Mexico flieht) der ebenfalls nochmal die Panele durchmaß. Nix, auch er bestätigte ihren plötzlichen Tod. Dann fuhren wir zu einer Adresse von einem Solaranlagenhändler und landeten in einer Taco-Bude. Die Dame rief dann irgendwen an und kurz darauf stand ein Typ vor uns, der Solaranlagen vertickt. Er erklärte uns, dass es das nur so nebenbei macht. Wir sind uns nicht sicher ob er von den Tacos oder den Solaranlagen sprach… Naja, das Angebot war gut, aber er wollte uns ziemlich penetrant zum Direktkauf bewegen (die Solaranlage fuhr er in seinem Kofferraum rum). Wir bedankten uns, fuhren mit Bruno weiter und schrieben das neue Angebot in unsere Excelliste. Nach Tag 2 hatten wir 6 Angebote mit einer Spanne von 100$ und 100 Watt Unterschied. Wir entschlossen bei einem kühlen Bierchen im Aufenthaltsraum des Hostels dann kurzerhand nach Todos Santos rauszufahren, wo uns jemand ein sehr modernes Panel mit geteilten Zellen und 405W zu einem guten Preis angeboten hatte. Die Jungs wirkten nett und machten direkt einen Termin mit uns aus und ihr Geschäft war wirklich für Solaranlagen und keine Taco-Bude. 😀
Also ging es Freitags nach Todos Santos. Das Städtchen liegt am Pazifik und wird von Einheimischen wie auch Amerikanern geliebt. Den Termin bei den Solar-Jungs hatten wir erst Samstag morgen, also bummelten wir was durch die Stadt und verfielen voll und ganz dem Charme. Wir fanden einen Secondhandshop mit zwei Wetsuits in unseren Größen und durften im Hinterhof der Dame sogar anprobieren. Für je 35$ kauften wir dann beide und watschelten fröhlich weiter bis zur Eisdiele. Richtig gute Shakes und Eiscafés. Gemütlich!
Dann gings raus an den Strand wo wir ungewollt in ein hippes Vanlife-Treffen stolperten und plötzlich Gott und die Welt in und um Bruno unterwegs war. Wir waren mal wieder die bunten Hunde. Die Leute waren uns aber zu betrunken, zu hippie und zu sehr auf easy-going und wir waren froh, als sie abends weiter zum nächsten Strand zogen.
Wir machten am Strand abends bei der Freilassung von frischgeschlüpften Olive-Bastard-Schildkröten mit. Eine Amerikanerin hat das Gewächshaus erbaut und im November, wenn die Schildkröten an Land ihre Eier legen, buddeln sie die Nester aus und im Gewächshaus wieder ein. Eigentlich ist es nämlich in Todos Santos zu kalt und die Eier würden gar nicht überleben und die Schildkröten nicht schlüpfen. So konnten wir der 10jährigen Tochter sogar dabei zuschauen, wie sie die letzten Schildkröten im Gewächshaus ausgrub, denn auch die am weitesten unten liegenden Schildkröten überleben meist nicht, da sie von ihren Geschwistern erdrückt werden oder es nicht aus den Tiefen des Sandes schaffen.
Dann gabs nen spektakulären Sonnenuntergang überm Meer und ich ergatterte eine Plastikschüssel mit 5 kleinen Panzerchen, die ich freilassen durfte. Unglaubliches Gefühl. Die Wellen brettern an den Strand und es ist unvorstellbar das die Kleinen das überleben. Aber kaum schwappte die erste Welle an die kleinen Körper, krabbelten sie umso schneller Richtung Meer. Die nächste dicke Welle erfasste dann meine 5 Kleinen und schwups waren sie im Meer verschwunden.
Wir stellten uns auf eine ruhige Nacht ein, da sich das Vanlife-Treffen ja verlagert hatte. Pustekuchen. Es war Wochenende und eine größere Gruppe einheimischer Jugendliche fand es klasse 2 Meter von Bruno entfernt eine Feuer zu machen und zwei Autoradios auf Anschlag dröhnen zu lassen. Puh, um 2 Uhr Nachts parkten wir dann tatsächlich noch um und wunderten uns einmal mehr über das andere Empfinden der Mexikaner zum personal space (äh, wie heißt das deutsche Wort mochmal???). Aber mal ehrlich, hätten wir nen Strand vor der Türe, würden wir wohl auch da rumhängen und feiern.
Am nächsten Morgen gings dann zu Enree Solar. Wir hatten uns schon einiges zur Befestigung überlegt und wollten unbedingt einen vollflächigen Dachträger um möglicherweise noch mehr auf dem Dach verstauen zu können. Wer hätte gedacht, dass wir 4 Tage später zwei Surfboards kaufen, die perfekt neben die Solaranlage passen?!
Also arbeitete Hanno den ganzen Vormittag mit zwei Jungs und dem Chef an den Träger aus Aluschienen, während ich auf Bruno saß und den Kleber der alten Solaranlagen mit Aceton entfernte.
Ich traf da draußen auf einige Leute, denn meine Facebook-Nachricht war scheinbar breit gestreut worden und irgendwie kannte uns in Todos Santos die Hälfte der Leute.
So kam auch Tobias zum Quatschen vorbei. Er kannte uns ebenfalls schon von Facebook, ist 21 Jahre jung, frisch von Wien nach Mexico ausgewandert. Spannende Begegnung. Wir verabredeten uns für den nächsten Abend auf ein Bierchen bei ihm.
Gegen 15 Uhr hatten wir Dachträger und Solaranlage dann auf dem Dach und freuten uns, dass sofort wieder Strom floss. Für die Arbeit der Jungs zahlten wir insgesamt 50 US$. Daumen hoch!
Wir fuhren wieder raus auf den Strand und verbummelten den nächsten Tag. Abends fuhren wir bei Tobias in den Vorgarten und nach dem dritten Bierchen war klar, dass wir auch erstmal nicht mehr wegfahren würden.
Wir verstanden uns auf Anhieb und es war ein echt witziger Abend. Wir saßen vor dem Haus auf der Veranda. Tobias Vater hatte das Haus vor 20 Jahren gebaut. Jetzt renovierte Tobias fleißig und will das Haus zeitnah vermieten und sich damit seinen Lebensunterhalt in Mexico sichern. Tobias ist in Mexico geboren und war immer wieder monateweise in Todos Santos. Er spricht spanisch und hat Freunde dort. Eigentlich sollte sein Tripp nach Mexico dieses Mal nur für die Semesterferien sein, aber wieder in Todos Santos hat er gemerkt, dass er eigentlich bleiben will. Nach dem Motto einfach mal machen hat er dann sein Studium abgebrochen, seinen mexikanischen Pass erneuern lassen und mit und mit alle Verträge und Verbindungen zu Wien gekappt. Respekt!
Im Laufe des Abends entstand dann der Deal: Surfstunden gegen Renovierungshilfe. So gings am nächsten Morgen raus nach Playa Los Cerritos und das erste Mal auf die Surfboards. Tobias zeigte Ausdauer und die Wellen waren gnädig. Mittags standen wir die ersten Weißwasser-Wellen. Juppie!
Dann gings schnell zur Taco-Bude und ab in die alten Klamotten. Bis spät Abends strichen wir Wohnzimmer, Küche und Flur. Puhhhh.
Am nächsten Tag war das Wetter mies und stürmisch, wir strichen, Hanno arbeitet, wir quatschten und besprachen Szenarien, was man so alles mit dem Haus noch machen könnte.
Am nächsten Tag gings dann wieder Surfen und wir lernten noch Bekannte von Tobias kennen, von denen er in den nächsten Wochen einen Welpen bekommt. Soooo süße flauschige Hundewelpen. Hach.
Tobias verkaufte uns dann noch eins der Surfboards und eine Harpune. Todos Santos meinte es durchweg einfach gut mit uns.
Dann hieß es erst mal tschüss sagen, den Tobias musste für einige Dinge nochmal nach Wien fliegen, bevor er hier so richtig durchstarten kann (leider hängt er im Moment in Österreich in Quarantäne, blöd gelaufen).
Unser Leben war dann ziemlich langweilig (zumindest um Blog darüber zu schreiben). Ohne unseren Job als Maler beschränkte sich unsere Aktivität die nächsten 7 Tage auf Surfen, Essen, Schlafen. Das zweite Surfboard kauften wir am Strand von einer Surfschule. Wir schliefen direkt am Surfstrand und tagsüber hingen wir am Strand oder im Meer.
Surfen ist nix für Weicheier, das bekamen wir dann ziemlich schnell zu spüren. Es gab Sessions da verbrachten wir mehr unter als über Wasser. Nasen-, Mund- und Ohrenspülung inklusive Schleudergang. Wir waren schon ganzschöne Goofys.
Für Hanno war leider schnell Ende, da er sich nach einer „Waschmaschine“ ne Rippenprellung holte, als er unsanft auf den Meeresboden schlug. Doof gelaufen, dafür gibt es von meinen Anfängen auf dem Board (Tag 4) aber immerhin Fotos.
Nach der Woche in Cerritos, einer enormen Anzahl blaue Flecken meinerseits, überall Sand (und ich meine wirklich überall – es knirscht selbst beim Essen zwischen unseren Zähnen), einem leeren Kühlschrank und leeren Wassertanks gings nochmal nach Todos Santos. Wir gingen dick einkaufen, wuschen eine Maschine Wäsche und gönnten uns nochmal nen Eiscafé während wir lange mit dem kleinen Andreas zu Hause telefonierten.
Beim Tanken trafen wir dann Katja und David wieder und verabredeten uns Abends bei den Schildkröten.
Wieder durften wir mithelfen die kleinen Panzerchen freizulassen, dieses mal war die Stimmung allerdings ziemlich schlecht. Eine Amerikanerin, die das angrenzende Haus an den Strand verkaufen will, boykottiert die Arbeit der Schildkröten-Zuchtstation, weil sie meint, der öffentliche Strand gehöre auch ihr… Neokolonialismus, oder wie nennt man das?
Wir fuhren danach noch raus auf einen anderen Strand und ließen den Abend gemütlich ausklingen.
Katja und David wollten gerne mal surfen. Also gings am nächsten Tag wieder nach Cerritos und ich war zwei Tage mit den beiden im Wasser. Die zwei teilten sich das Softboard und ich stiegt auf das kleinere, wackeligere „Profi“-Board um und stellte erste Stehversuche an.
Hanno paddelte traurig etwas mit, hatte aber leider immer noch Schmerzen. Schade!
Abends gingen wir dann noch mit den zweien Pizzaessen und spielten ne Runde Karten.
Nach 14 Tagen in und um Todos Santos zog es uns dann wieder zurück nach La Paz, wo die Walhaisaison Anfang April endet, und Katja und David fuhren weiter Richtung Cabo San Lucas.
Ach ja: Wir haben mittlerweile auch mitbekommen, dass es Corona nicht nur als Bier gibt. Aktuell ist die Lage in Mexico allerdings noch sehr ruhig und das Leben läuft normal (man darf sich streiten, ob zu wenig getestet wird, oder es tatsächlich so wenige Fälle in Mexico gibt). Da Mexico von allen Ländern auf unserer Route am besten geeignet ist, das Ganze zur Not auszusitzen, haben wir uns entschieden hier zu bleiben. Mehr Details gibt es dann im nächsten Blogeintrag. Bleibt gesund!