Tag 1231-1234 | Ushuaia, Beagle Channel, Drake Passage, Argentinien
Wow, das ist dann wohl einer der Blogartikel die unheimlich schwer zu schreiben sind. Eure Erwartungen sind groß und ich habe das Gefühl etwas beschreiben zu müssen, wofür es keine Worte gibt.
Antarktis – der weiße Kontinent. So anders als alles was wir jemals gesehen haben. Unberührt, still, kalt, unendlich.
Das Gefühl was mitschwingt wenn ich nun wieder zurück denke ist ganz tief in mir drin. Es füllt mich komplett aus und ist überwältigend in all seinen Formen. Freude und Aufregung, Gelassenheit und Bewunderung, Zufriedenheit und Friede, Glück und Romantik.
Fotos, Video und Worte werden diesem Abenteuer leider überhaupt nicht gerecht, aber ich gebe mein Bestes euch so nah wie möglich mit zu nehmen. Schmeißt die Reisetabletten ein und haltet euch fest, los gehts!
Die Aufregung seit der Buchung vor einer Woche war täglich gestiegen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so voller Vorfreude war. Da wir nicht mit dem Charterflug aus Buenos Aires anreisten, konnten wir schon vor dem Rest der Gäste an Board gehen.
So standen wir gegen 16 Uhr vor unserem Zu Hause für die nächsten 12 Tage. Das neue Schiff „World Navigator“ der Atlas Ocean Voyage Reederei.
Wir checkten ein und wurden direkt von der Cruisemanagerin, dem Rezeptionisten und den Jungs an der Bar neugierig beäugt und begrüßt. Wir waren definitiv zu jung im Vergleich zu den anderen Gästen und die Crew (alle mehr oder weniger in unserem Alter) freute sich sichtlich über ein paar jüngere Gesichter.
Aus dem Staunen kamen wir dann erstmal nicht mehr raus. Es war alles All Inclusive und um halb 5 saßen wir schon mit dem ersten Bellini und Cremant und ein paar Canapés in der hübschen Atlas Lounge auf Deck 4.
Nachdem wir dann unser Zimmer gezeigt bekommen hatten und Abdul unseren Cabin-Manager kennen gelernt hatten, jubelten wir erst mal laut. Balkon, tolles Badezimmer, riesiges Bett, Minibar, Roomservice, cooles Entertainmentpaket. Wir schmissen unsere Lieblingsplaylist an und ich räumte die Rucksäcke aus, während Hanno die erste heiße Dusche mit unendlich Wasser seit langer Zeit genoss. Hannos Highlight waren dann die gepolsterten Kleiderbügel mit Schleifchen, meins eher die Aussicht von den bodentiefen Fenstern aus.
Auf unseren Wohnzimmertisch fanden wir dann auch den ersten „Daily Navigator“. Dieser Newsletter würde uns nun täglich informieren, was so ansteht, welche Vorträge gehalten werden, was es für ein Thema beim Abendessen gibt und welches Unterhaltungsprogramm wann und wo stattfindet. Echt nett gemacht!
Als wir das Zimmer ausgiebig erkundet hatten, machten wir uns auf Erkundungstour durch die verschiedenen Etagen des Schiffs. Wir wohnten auf Deck 6 direkt hinter der Brücke in der Front. Auf Deck 8 fanden wir ein Open Air Fitnessstudio mit Laufstrecke und fantastischer Aussicht. Auf Deck 7 gabs den Pool und zwei Wirlpools, das Helideck und die Observation Lounge mit rundrum Glasfenstern, Bar und Piano.
Auf Deck 6, 5 und 4 konnte man ebenfalls endweder vorne oder hinten raus auf ein großes Deck. Auf Deck 4 gabs die Atlas Lounge, wieder mit Piano und Bar, ein Kino, eine Sauna und ein Wellnessbereich, den Souveniershop, ein Fitnessstudio und das große Restaurant. Auf Deck 3 fanden wir noch den Mud-Raum, wo wir uns für die Land-Exkursionen fertig machen würden. Wir waren sehr beeindruckt von dem Luxus, den wir so gar nicht gewöhnt waren und freuten uns sehr dass wir dank All Inclusive nicht an die Kosten denken mussten.
Vor dem Abendessen reisten dann die anderen Gäste an. Wir sahen quasi alles: Gehilfen, Rollstuhl und Menschen die ohne fremde Hilfe nicht in der Lage waren die Rampe hoch ins Boot zu kommen. Oje oje. Wir senkten den Altersdurchschnitt echt drastisch. Schnell war klar, dass für einen nicht ganz unerheblichen Teil der Gäste die Antarktis sowas wie das letzte ToDo auf ihrem Lebensweg werden sollte. Und da kamen wir auch zu unserer größten Angst. Würde einer der Passagiere stürzen, sich verletzen oder sich der Gesundheitszustand verschlechtern, würde das gesamte Boot umkehren müssen. Das passiert gar nicht mal so selten und so hatte ich vorab schon ein paar schlechte Träume.
Aber erst mal gabs dann die Sicherheitseinweisung und dann Abendessen, welches à la carte serviert wird und keine Wünsche offen ließ. Es war sooo gut! Wir genossen den ersten Abend sehr und da wir noch angedockt am Hafen lagen, mussten wir auch keine Angst vor Wellengang haben. Purer Urlaub und wir merkten, wie entspannt und sorgenlos wir plötzlich waren.
Nach dem Abendessen gings dann auf ein paar Cocktails in die Observation Lounge auf Deck 7, wo Piano Paul noch zwei Stündchen Klavier spielte. Wir waren erstaunt, dass wir dort oben fast alleine waren. Das Seniorenheim war wohl schon bettfertig.
Und dann legten wir ab. Es ging wirklich los! Für mich war dieser Moment pure Gänsehaut und Gefühlschaos. Die vorbeiziehende nächtliche Lichterkulisse von Ushuaia, das Piano und der ein oder andere Drink trug seinen Teil dazu bei, dass dieser Moment für mich einer der Besondersten der Reise war.
Es ging durch den Beagle Channel und raus auf die Drake Passage. Drei Nächte und zwei Tage würde es dauern, bis wir in der Antarktis ankommen würden. Die Drake Passage gilt als eins der berüchtigsten Meere der Welt und wir hatten Respekt. Noch vor einem Monat hatte eine Welle ein Kreuzfahrtschiff so getroffen, dass Scheiben gebrochen sind und eine Frau durch Splitter gestorben war. Keine so schöne Vorstellung.
Wir sparten daher auch nicht an der Einnahme von Reisetabletten. Trotzdem machten mich die Wellen fertig und ich war die zwei Tage echt krank. Zum Glück gabs Roomservice und zu jeder Tages- und Nachtzeit irgendwo was zu essen. Josef unser Butler brachte uns Frühstück aufs Zimmer und Abends eine Suppe und Tee, als ich nicht in der Lage war zum Abendessen zu gehen. Abdul schaute auch dauernd vorbei und ging sicher, dass es uns an nichts fehlt.
Die Vorträge des Expeditions-Teams versuchte ich tapfer im Auditorium/Kino anzuschauen, musste dann aber irgendwann doch kapitulieren und schaute mir den Rest vom Bett aus, per Liveübertragung auf dem TV, an.
Trotz Seekrankheit vergingen die Tage auf der Drake Passage wie im Flug. Es gab so viel zu tun und die Reisetabletten machten uns ganz schön matschig im Kopf. Die Vorträge des Expeditions-Teams waren unheimlich spannend und von sehr hohem Niveau. So lernten wir in den ersten Tagen viel über Ökosystem, Tierwelt, Gletscher und lauschten einem Vortrag zur Entdeckung von Shakeltons Schiff „Endurance“ im letzten Jahr. Der Vortraghaltende, Chad, war bei dieser Exkursion auf der Endurance22 dabei gewesen und konnte uns exklusive Fotos zeigen und Geschichten erzählen. Eins unserer Vortragshighlights, das steht außer Frage. Wahnsinnig spannend! Abends und zur Teatime spielte Piano Paul auf dem Klavier und nach dem Abendessen gabs auch immer noch einen Film (Happy feed, Shakelton Movie …). Den Rest der Zeit stopften wir uns dann einfach nur mit Köstlichkeiten voll und tranken uns durch die unendliche Getränkekarte. Von Kaiserschmarrn und Apfelstrudel, Lachs und Seranoschinken über Oktopus, richtiges Brot, Croissants, Salate, Suppen, hausgemachte Eiscreme, Cocktails, Rum, frischgepressten Säften, hausgemachten Limos und Smoothies. Jeden Mittag gabs ein Livecooking und Buffet und wir arbeiteten hart an unserer Fettschicht. Morgens konnte man aufs Zimmer bestellen oder im Restaurant à la carte bestellen und zusätzlich ein riesiges Buffet plündern. Wir probierten alles aus und schmausten uns die Buffets und Speisekarten rauf und runter.
Faszinierend fanden wir auch, dass innerhalb kürzester Zeit die Crew unsere Namen und unsere Vorlieben kannte. Egal ob der Butler, die Servicekraft im Restaurant, der Rezeptionist oder die Jungs an der Bar. Von Tag 2 an wurden wir überall mit Mr. Hanno und Mrs. Kerstin begrüßt, der Cappucchino stand quasi schon bereit wenn wir zum Frühstück gingen, wir bekamen kommentarlos Sprudel statt stillem Wasser eingeschenkt und einen Espresso nach dem Abendessen, ohne, dass wir ihn bestellen mussten. Krasse Leistung bei 160 Gästen! Aber vermutlich lag es auch daran, dass man unsere Gesichter ganz gut vom Rest der Gäste unterscheiden konnte.
Bei den Mitreisenden war es dann anders. Mehr als einmal kam jemand mit Fragen oder Beschwerden auf uns zu, da wir für Mitarbeiter gehalten wurden. Das wir uns diese Kreuzfahrt leisten konnten, war einfach in den Augen der reichen Alten eine Unmöglichkeit. Wir sagten dann lieber nicht, dass wir nur einen Bruchteil des Preises bezahlt hatten und trotzdem den gleichen Service erhielten.
Am ersten Abend war dann auch direkt eine alte Frau gestürzt und es war unglaublich wie schwarz, blutunterlaufen und geschwollen ihr komplettes Gesicht für den Rest der Reise war. Das müssen unheimliche Schmerzen gewesen sein. Respekt für ihre Selbstlosigkeit. Bei ihrem Gesicht wäre es kein Wunder gewesen, wenn wir direkt wieder umgekehrt wären. Scheinbar konnte sie die Crew und den Schiffsarzt aber davon überzeugen, dass es halb so wild ist. Wir atmeten erst mal wieder auf.
Und dann hatten wirs geschafft. Am dritten Morgen war Land in Sicht! Unser siebter und damit letzter Kontinent. Da war sie, die Antarktis.
… und wie es weiter geht, erfahrt ihr nach der Werbung*
(*) machen wir natürlich nicht, aber wir wollen die Spannung ja etwas hochhalten. Und Timo freut sich doch immer über einen Cliffhanger ;-).